HINWEIS


Über diesen Link verlassen Sie die deutsche CoaguChek® Website und werden weitergeleitet.
> OK
Sollte ihr Browser keine automatische Weiterleitung unterstützen, klicken Sie bitte hier.

DOAK oder VKA?

Orale Antikoagulation:

Eine patientenindividuelle Entscheidung

Interview mit Dr. med. habil. Christoph Sucker, Berlin

Nicht Vitamin K-abhängige orale Antikoagulanzien (NOAK) haben die therapeutischen Optionen in der oralen Antikoagulation entscheidend erweitert. Wie beurteilen Sie die Einsatzfähigkeit der NOAK im Alltag?
In Zulassungsstudien zeigte sich für die meisten untersuchten Kollektive eine vergleichbare Effektivität von NOAK und Vitamin K-Antagonisten (VKA) hinsichtlich der Reduktion von thrombotischen und thromboembolischen Ereignissen. Vorteile der NOAK fanden sich in den Zulassungsstudien hinsichtlich der Reduktion von Blutungsereignissen, insbesondere hinsichtlich der Reduktion intrakranieller Blutungen. Allerdings sind Studiendaten grundsätzlich nicht uneingeschränkt auf den klinischen Alltag übertragbar. Wir sehen im täglichen Einsatz der NOAK auch hierunter schwerwiegende Nebenwirkungen, auch Blutungsereignisse. Insbesondere sind gesteigerte Regelblutungen und gastrointestinale Blutungen unter NOAK häufiger als unter VKA. Der Grund hierfür ist, dass NOAK direkte Antikoagulanzien sind, die im Vergleich zu VKA unmittelbar nach Aufnahme im Gastrointestinaltrakt Blutungen auslösen können, insbesondere bei vorgeschädigter Schleimhaut. Andere recht häufig berichtete Nebenwirkungen der NOAK sind Schwindel, Übelkeit und Gelenkbeschwerden.

Inwieweit sind die internationalen Studien auf Deutschland übertragbar?
Nur begrenzt, denn innerhalb der Zulassungsstudien wurden die NOAK immer mit Warfarin verglichen, einem VKA, der bei uns kaum eingesetzt wird. In Deutschland wird fast ausschließlich der VKA Phenprocoumon verwendet. Unter Warfarin ist aufgrund der kürzeren Halbwertszeit die Einstellungsqualität aber häufig schlechter, was sich in einer instabileren INR-Einstellung, verbunden mit mehr „kritischen“ INR-Werten zeigt. Außerdem ist die Einstellungsqualität der INR-Werte unter VKA in Deutschland in der Regel deutlich besser als in der international vergleichenden Gesamtbetrachtung innerhalb der Zulassungsstudien.

„Stabil eingestellte VKA-Patienten sollten nicht ohne medizinische Begründung auf NOAK umgestellt werden – das hat meine jahrelange Erfahrung gezeigt.“

Im Mai 2018 wurden die Ergebnisse einer retrospektiven Analyse von Versichertendaten aus Deutschland zur Wirksamkeit und Sicherheit oraler Antikoagulanzien bei Vorhofflimmern veröffentlicht.1 Was sind die Besonderheiten?
Es ist eine Erhebung, die sich ausschließlich auf den deutschen Markt bezieht. Erstmals dient somit Phenprocoumon als Vergleichssubstanz für die NOAK und nicht dass in den NOAK-Zulassungsstudien verwendete Warfarin. Des Weiteren ist das Patientenkollektiv hier viel realistischer: Es werden ältere Patienten erfasst als in den Zulassungsstudien, zudem auch Risikopatienten, die in den Zulassungsstudien der NOAK entweder unterrepräsentiert waren oder erst gar nicht eingeschlossen wurden.

Wie beurteilen Sie die Studienergebnisse – insbesondere hinsichtlich ihres Wertes für die klinische Praxis?
Uns liegen nun erstmals „Real-Life-Daten“ für Deutschland vor. Hierbei waren die NOAK den VKA in allen klinischen Wirksamkeitsendpunkten und im relevanten Sicherheitsendpunkt, den schweren Blutungen, unterlegen. Um optimale Therapieergebnisse erreichen zu können, muss die empfohlene Dosierung der NOAK immer zwingend eingehalten werden. Etwa die Hälfte der Patienten war in der vorliegenden Untersuchung jedoch unterdosiert und man konnte anhand der ICD-10-Codierungen nicht erkennen, aus welchem Grund die Dosisreduktion überhaupt stattgefunden hat. Wahrscheinlich wurde die reduzierte Dosierung aufgrund einer Sorge vor Blutungen verabreicht.

Lassen sich aus den aktuellen Daten auch Schlüsse zur Einstellungsqualität in Deutschland unter VKA ableiten?
Hierzu geben die Daten keine Hinweise. Aber die Einstellungsqualität der INR-Werte ist in Deutschland in der Regel eine bessere als in vielen anderen Ländern im internationalen Vergleich. Wünschenswert wären Details über die individuelle Einstellungsqualität im VKA-Arm gewesen: Hier hätte man dann zusätzlich noch die unterschiedlichen Monitoring-Möglichkeiten in „Real-Life“ gegenüberstellen und mit den NOAK-Ergebnissen vergleichen können. Anwender des Gerinnungs-Selbstmanagements hätten wahrscheinlich aufgrund der besseren INR-Einstellung eine bessere Effektivität sowie eine geringere Blutungsrate aufgewiesen. Außerdem ist anzunehmen, dass sich das Gerinnungs-Selbstmanagement günstig auf die Adhärenz der VKA-Patienten ausgewirkt hätte.

Wie ist aus Ihrer Sicht das fehlende Monitoring bei den NOAK zu bewerten?
Diese Thematik wird derzeit sehr intensiv diskutiert. Für alle NOAK wurden inzwischen Methoden zur Spiegelmessung entwickelt, da inzwischen klar ist, dass auch unter NOAK ein Zusammenhang zwischen Spiegel, Effektivität der Behandlung und Blutungsrisiko besteht. Allerdings sind diese Messungen derzeit an eine Untersuchung im Labor gebunden. Es werden aber auch Methoden für die patientennahe Anwendung durch den Arzt entwickelt. Es besteht weitgehend Konsens darin, dass Spiegelmessungen unter NOAK in bestimmten Patientenkollektiven und Szenarien günstig sind: Hier sind etwa Kinder und Jugendliche zu nennen, für die die NOAK nicht zugelassen sind, sowie über- oder untergewichtige Patienten, bei denen nicht klar ist, ob ein adäquater Spiegel vorliegt. Weitere Gruppen, die aus meiner Sicht von Messungen profitieren könnten, wären Patienten mit „kritischer“ Begleitmedikation sowie Leber- oder Nierenproblemen. Des Weiteren könnte im perioperativen Setting eine Spiegelbestimmung hilfreich sein, um hier das Management der NOAK nicht „blind“ durchführen zu müssen.

Ein routinemäßiges Monitoring der NOAK wird derzeit eher nicht propagiert. Ich sehe das etwas anders, da ich denke, dass Monitoring die Patienten für die Therapie sensibilisiert und ein Monitoring die Adhärenz der Patienten verbessert. Die geringe Adhärenz scheint gerade unter den NOAK ein relevantes Problem darzustellen. Die Arztbegleitung der Patienten ist im Vergleich zu mit VKA antikoagulierten Patienten bei NOAK-Patienten häufig unzureichend; dies wirkt sich ungünstig auf die Therapietreue der Patienten aus.

Viele Patienten fühlen sich einfach deutlich sicherer unter einer Antikoagulation, wenn ein therapiebegleitendes Monitoring erfolgt. Ich würde mir daher wünschen, dass in dieser Richtung Verfahren entwickelt werden, die für Arzt und Patient Spiegelkontrollen unter den NOAK ermöglichen.

Können Sie das konkretisieren?
Patienten möchten häufig wissen, ob ein Medikament so wirkt, wie man es sich vorstellt. Nach einem thrombotischen oder thromboembolischen Ereignis ist es durchaus beruhigend, zu wissen, dass der gerinnungshemmende Effekt adäquat ist, um ein erneutes Ereignis zu verhindern. Andererseits möchten Patienten, die eine Blutungskomplikation unter Antikoagulation erlitten haben, natürlich unbedingt wissen, ob die Einstellung adäquat ist oder ob eine Überdosierung mit dem Risiko für weitere Blutungskomplikationen vorliegt.

Inwieweit bieten Monitoringmöglichkeiten bei der oralen Antikoagulation noch Vorteile?
Bei Patienten mit möglicherweise eingeschränkter Compliance ist es für den behandelnden Arzt wichtig, zu wissen, ob die Medikation überhaupt eingenommen wird. Dies ist unter VKA leicht durch Bestimmung des INR-Wertes möglich: Bei den NOAK ist derzeit keine entsprechende Messung etabliert. Ein anderes Beispiel sind Operationen oder Verletzungen: Der behandelnde Arzt muss natürlich wissen, ob er mit Blutungskomplikationen zu rechnen hat – sind doch häufig vor einem operativen Eingriff noch relevante Konzentrationen eines dieser Antikoagulanzien „an Bord“.

Was ist also Ihr persönliches Fazit zu den Möglichkeiten der modernen oralen Antikoagulation?
Man muss immer genau hinschauen, wenn ein Patient neu eingestellt werden soll. Wie sieht die jeweilige Zulassung der entsprechenden Medikamente aus und wie ist die individuelle Situation des Patienten? Bei dieser Neueinstellung sollten aus meiner Sicht alle verfügbaren Antikoagulanzien – NOAK und VKA – Berücksichtigung finden. Darüber hinaus sollten stabil eingestellte VKA-Patienten nicht ohne hinreichenden Grund auf NOAK umgestellt werden – das hat meine jahrelange Erfahrung gezeigt.

1. Müller et al. (2018). Real-world effectiveness and safety of oral anticoagulation strategies in atrial fibrillation: a co-hort study based on a German claims dataset. Pragmatic and Observational Research,9,1-10.

Unsere Services

Wir helfen Ihnen gerne

Schulungseinrichtungen

Train the Trainer-Seminar

Erfahren Sie

wie die INR-Kontrolle in der Praxis aussieht.

Jetzt informieren